Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Rangprobleme nach § 1609 BGB bei mehreren Ehefrauen

Zwei Mal verheiratet: welche Ehefrau bekommt wie viel?

1. Ist der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit i.d.R. nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen. Der unterhaltsrechtliche Vorrang des geschiedenen Ehegatten wirkt sich bei der Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB vielmehr in Höhe des vollen Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, da die Rangvorschriften des § 1609 BGB selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung sind.   
 
2. Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 07.12.2011 – XII ZR 151/09).

 

3. Steht der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen im Bezug von Elterngeld, bleibt der nach § 11 Satz 1 BEEG geschonte Sockelbetrag des Elterngeldes bei der Ermittlung des für die Dreiteilung verfügbaren Gesamteinkommens unberücksichtigt (Fortführung von BGH, Urt. v. 21.06.2006 – XII ZR 147/04).  
 
4. Übt der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen wegen der Betreuung der im Haushalt lebenden gemeinsamen minderjährigen Kinder keine Erwerbstätigkeit aus, können ihm bei der Ermittlung des Gesamteinkommens fiktive Erwerbseinkünfte zugerechnet werden, wenn und soweit er im hypothetischen Fall einer Scheidung trotz der Kindesbetreuung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes kommt dies aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige als Rentner selbst keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht.         
 
BGH, Beschluss v. 07.05.2014 – XII ZB 258/13

 

Der Fall:

Von 1975 bis März 2010 war der Mann zum ersten Mal verheiratet, ab Dezember 2010 zum zweiten Mal. Aus erster Ehe gibt es ein längst erwachsenes Kind (geb. 1978), im Sommer 2011 kam in der neuen Ehe ein Baby. Die zweite Ehefrau ist nur unwesentlich älter als die erste Tochter.

Der Mann ist Hochschulprofessor im Ruhestand. Seine erste Ehefrau hatte während der Ehe ihr Studium und ihr Promotionsvorhaben aufgegeben und war im Wesentlichen Hausfrau und Mutter („traditionelle Rollenverteilung“). Deshalb war ihr bei Scheidung ein auskömmlicher Unterhalt zugesprochen worden.

Seine zweite Ehefrau ist jetzt wegen des Kindes ebenfalls nicht berufstätig.

Auch ihr schuldet der Mann daher Unterhalt und möchte deshalb den Unterhalt der Geschiedenen wegfallen lassen.

Der Fall ging bis zum BGH, der darüber entschied, als das Kind fast drei Jahre alt war.

 

Die Entscheidung:

Der BGH differenziert bei seiner Entscheidung zwischen mehreren Unterhaltszeiträumen:

07.04.2011–21.07.2011 (Wiederheirat bis Geburt des Babys)

Allein die Wiederheirat des Mannes verkürzt den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau nicht.

Der Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau ist nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen und wird nicht durch eine nacheheliche Entwicklung beeinflusst, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, insbesondere nicht durch die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten (BGH, Urt. v. 07.12.2011 – XII ZR 151/09), aber auch nicht durch die aus der neuen Ehe hervorgehenden finanziellen Vorteile wie den Splittingvorteil oder sonstige, von der neuen Ehe abhängige Einkommenszuschläge.   
 
Zu differenzieren ist allerdings bei dem dem Ehemann nach seiner Wiederverheiratung gewährten beamtenrechtlichen Familienzuschlag, der sowohl die Unterhaltsbelastungen aus der geschiedenen Ehe als auch die aus der neuen Ehe herrührenden wirtschaftlichen Belastungen abmildern soll (BGH, Beschl. v. 02.02.2011 – XII ZB 133/08). Daher ist er bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau nur hälftig zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.02.2007 – XII ZR 37/05).      
 
Zwar ist – wie vom BGH genauer dargestellt – das unterhaltsrelevante Einkommens des Ehemannes gegenüber dem Ausgangsverfahren gesunken, was im Ergebnis aber nicht zu einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse führt, § 238 FamFG.  
 
Seine Wiederverheiratung hat in diesem Unterhaltszeitraum auch auf die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) keinen Einfluss. Zwar hängt die Leistungsfähigkeit gegenüber einzelnen Unterhaltsberechtigten i.d.R. auch von weiteren Unterhaltsverpflichtungen als sonstigen Verpflichtungen i.S.d. § 1581 BGB ab. Bei der Leistungsfähigkeit spielen aber – anders als beim Unterhaltsbedarf – die Rangverhältnisse eine entscheidende Rolle.

Der BGH bestätigt, dass die geschiedene Ehefrau gegenüber der neuen Ehefrau unter dem Aspekt der langen Ehedauer (§ 1609 Nr. 2 BGB), der in besonderem Maße den Schutz „traditioneller“ Ehemodelle im Blick hat, unterhaltsrechtlich vorrangig gewesen ist. Die Ehe dauerte mehr als 31 Jahre und war aufgrund der gewählten Rollenverteilung und der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von einer engen persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtung geprägt. Diese beruhte auf dem – unstreitig ehebedingten – Abbruch der akademischen Ausbildung der geschiedenen Ehefrau, der Übernahme der Haushaltsführung und Kinderbetreuung und schließlich auch darauf, dass sie ihre spätere Tätigkeit als Übersetzerin in der Ehezeit im Wesentlichen für den Ehemann entfaltete.     
 
Demgegenüber war die neue Ehefrau bis zur Geburt ihres Kindes nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig
 

22.07.2011–30.11.2011 (Ab Geburt des Kindes bis die Geschiedene ihre Rente aus dem Versorgungsausgleich bekam)

In diesem Unterhaltszeitraum haben sich die tatsächlichen Verhältnisse durch das Hinzutreten der nach § 1609 Nr. 1 BGB vorrangigen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und die mit der Kinderbetreuung verbundene Rangverschiebung aufseiten der neuen Ehefrau verändert. Der Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau ist zwar auch dadurch unberührt geblieben. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1581 BGB i.d.R. aber auch die hinzugekommene gleichrangige Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Nicht zu beanstanden ist, wenn dem bei gleichrangigen Unterhaltsberechtigten i.d.R. im Wege der Dreiteilung des vorhandenen Gesamteinkommens aller Beteiligten Rechnung getragen wird (BGH, Beschl. v. 19.03.2014 – XII ZB 19/13, DRsp-Nr. 2014/6687).
 
Dabei ist i.d.R. das gesamte Einkommen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind daher auch der steuerliche Splittingvorteil und der volle Familienzuschlag der Stufe 1.   
 
Der Vorteil des Zusammenwohnens für die Ehegatten der neuen Ehe kann mit einem Abzug von 10 % ihres Gesamtbedarfs in Ansatz gebracht werden.

Schon in diesem Unterhaltszeitraum stand dem Ehemann der kindbezogene Anteil des Familienzuschlags (§ 40 Abs. 2 BBesG) zu, der einem Versorgungsempfänger gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG neben dem Ruhegehalt gewährt wird und zu den zu berücksichtigenden Einkünften zählt.       
  
Lebt das unterhaltsberechtigte Kind – wie hier – im Haushalt des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen Ehegatten, richtet sich sein Unterhaltsanspruch im Rahmen des Familienunterhalts (§ 1360a Abs. 1 BGB) – abgesehen vom Taschengeld – nicht auf eine Geldzahlung, sondern auf die Gewährung von Wohnung, Nahrung, Kleidung und sonstigen Leistungen in Form von Naturalien. Bei der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen muss der Anspruch des Kindes auf Naturalunterhalt aber monetarisiert werden. Der Geldwert dieses Anspruchs ist dabei mindestens mit dem (hypothetischen) Anspruch auf Barunterhalt zu veranschlagen, den das Kind im Fall einer Trennung seiner Eltern gegen den Unterhaltspflichtigen hätte. Dabei ist der um das (ggf. anteilige) Kindergeld geminderte Zahlbetrag anzusetzen. 
 
Der BGH beanstandet, dass das OLG den Sockelbetrag des von der neuen Ehefrau bezogenen Elterngeldes in die Ermittlung des Gesamteinkommens einbezogen hat. Nach § 11 Satz 1 BEEG bleiben diese Einkünfte anrechnungsfrei.    
 

01.12.2011–30.06.2014 (Zeit vor dem 3. Geburtstag des Babys)

Soweit die geschiedene Ehefrau über eigenes Einkommen in Form ihrer Altersrente verfügt, deckt dieses ihren Unterhaltsbedarf. Nur für den Rest kann der Ehemann unterhaltsrechtlich in Anspruch genommen werden.

Das OLG hatte der neuen Ehefrau für die Zeit nach dem Ende des Elterngeldbezugs fiktive Erwerbseinkünfte von mtl. 560 € brutto zugerechnet, weil der Ehemann das Kind betreuen könne, damit diese beruflich tätig werden und zum eigenen Unterhalt beitragen könne.
 
Diese Argumentation überzeugt den BGH nicht. Die Ehegatten sind berechtigt, ihre Rollenverteilung in der Ehe frei zu wählen. Allerdings darf bei einer Konkurrenz mit den Unterhaltsansprüchen eines geschiedenen Ehegatten durch die gewählte Rollenverteilung der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht über Gebühr geschmälert werden. Der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen soll seine Erwerbsmöglichkeiten in gleicher Weise ausschöpfen, wie es auch von dem geschiedenen Ehegatten in einer vergleichbaren Lebenssituation erwartet werden würde (BGH, Urt. v. 18.11.2009 – XII ZR 65/09, DRsp-Nr. 2009/28069).  
 
Die Erwerbsobliegenheit bestimmt sich nach § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach darf der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren selbst erziehen oder andere Betreuungsmöglichkeiten – dazu gehören i.d.R. auch Betreuungsangebote des anderen Elternteils – in Anspruch nehmen will. Eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten besteht in diesem Zeitraum nicht und kann auch nicht mit dem Rentenalter des Ehemannes begründet werden.
 

von Juli 2014 an (Zeit nach dem 3. Geburtstag des Babys)

Der BGH macht deutlich, dass die hypothetische Erwerbsobliegenheit der neuen Ehefrau mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Juli 2014 erneut zu beurteilen sein wird. Soweit sie auch in diesem Unterhaltszeitraum noch Betreuungsunterhalt gem. § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB beanspruchen könnte, wäre ihr Anspruch gleichrangig mit demjenigen der geschiedenen Ehefrau.

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Aktualisiert zuletzt am

5.11.2014

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